Chefvisite bei Prof. Lutz Fritsche, Vorstand Medizin der Johannesstift Diakonie: Interne Kommunikation in der Corona-Krise
Die deutschen Krankenhäuser befinden sich in diesen Tagen mitten im Krisenmodus: Die Pandemie stellt alle Kliniken und vor allem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Pflege und Ärztlichem Dienst vor allergrößte Herausforderungen. Wie ist die Stimmung bei den Beschäftigten in der Johannesstift Diakonie?
Angespannt, angestrengt – das beschreibt es ganz gut. Aber unsere Mitarbeitenden sorgen sich nicht, dass unsere Krankenversorgung in der Pandemie zusammenbrechen könnte. Hier kommt uns sicherlich zu Gute, dass unser Verbund sehr dezentral organisiert ist. Insgesamt gehören zehn Krankenhäuser zur Johannesstift Diakonie. Die meisten davon haben eine überschaubare Größe. Alle haben eine Geschäftsführung vor Ort, die sehr präsent ist, durchs Haus
geht, mit den Kolleginnen und Kollegen spricht. Wenn man gefragt wird, fühlt man sich viel mehr als Akteur und nicht als Opfer. Man empfindet die Situation als beherrschbar. Und unsere Mitarbeitenden wissen: Das Management hat im Blick, was leistbar ist und würde handeln, wenn wir tatsächlich eine Grenze erreichen würden.
Trotzdem ist die Belastung der Mitarbeitenden natürlich groß: Die Krankenquote ist ca. 50 Prozent höher als sonst. Da spielen auch die Quarantänemaßnahmen rein und die schwierige Betreuungssituation, die viele Eltern zu Hause zu bewältigen haben. Und das Getöse in der Presse führt ebenfalls zu einer großen Verunsicherung.
Wie schätzen Sie die aktuelle Medienberichterstattung denn ein?
Das in der Presse gern gezeichnete Bild vom Kollaps des Gesundheitssystems hat mit der Realität in unseren Kliniken nichts zu tun. Nur weil der Bus voll ist, bricht nicht der öffentliche Nahverkehr zusammen. Unsere Intensivstationen sind gerade gut belegt. Aber alles ist ständig in Bewegung: Menschen werden gesünder und können auf Normalstation verlegt werden. Manche sterben leider auch, so dass Betten wieder frei werden. Wer heute z.B. einen Herzinfarkt erleidet, muss nicht befürchten, er könne nicht entsprechend versorgt werden. Auch im optimalen Rettungswesen vergeht immer eine gewisse Zeit, bis der Patient schließlich auf der Intensivstation ankommt. Im Krankenhaus eingetroffen, wird er erst einmal versorgt. In der Zwischenzeit hat man genug Möglichkeiten, ein Bett für ihn zu zu organisieren. Man arbeitet kurzfristig mit Überbetten oder lässt den Patienten etwas länger im Schockraum. Auch Verlegungen in eine andere Klinik werden – wenn nötig – zur Entlastung genutzt. Das ist ja auch kein Sonderfall in einer Pandemie. Wir kennen das z.B. von Grippewellen oder wenn es wegen Blitzeis in kürzester Zeit zu vielen Unfällen im Stadtgebiet kommt.
Welche Rolle spielt die interne Kommunikation in dieser Situation und wie kann sie konkret dazu beitragen, diese Krisensituation besser zu meistern?
Ich halte die interne Kommunikation aktuell für extrem wichtig. Der Hysterie in den Medien muss etwas entgegengesetzt werden. Sonst verlieren die Mitarbeitenden die Nerven und sind schlimmsten Falls nicht mehr arbeitsfähig, weil sie sich von der Berichterstattung verunsichern lassen. Denken wir mal zurück in den Frühling. Erst wurde berichtet, dass die Schutzausrüstung nicht ausreichen würde. Dann wurde behauptet, dass das Material nicht richtig schützen würde. Nun liest man täglich davon, dass die Krankenversorgung in Deutschland mitten in der zweiten Welle zusammenbrechen könnte. Wie soll man dabei noch konzentriert seine Arbeit tun? Wir müssen unsere Mitarbeitenden unterstützen, in dem wir diesen medial aufgebauten Horrorszenarien mit sachlichen Informationen entgegentreten. Dabei dürfen wir die Gefahr nicht herunterspielen, müssen aber klar machen, dass es sich um beherrschbare Probleme handelt.
Welche Instrumente nutzen Sie aktuell für die interne Kommunikation?
Wir setzen vor allem auf digitale Kommunikation. In erster Linie nutzen wir unser Intranet. Dort gibt es einen Blog, speziell zu den Corona-Thema. Die neuesten Beiträge dort sind bereits auf der Startseite verlinkt, so dass sich jeder sehr schnell informieren kann. Wichtig ist uns maximale Transparenz: Wir berichten regelmäßig die wichtigsten Zahlen z.B. die verfügbare Menge an Schutzausrüstung oder die Auslastung unserer Intensivstationen. Es gibt auch die Möglichkeit, dass die Mitarbeitenden dort Fragen stellen. Die Antworten werden dann auch dort veröffentlicht.
Das alles ersetzt nicht das persönliche Gespräch. Deshalb legen wir auch hier Wert auf dezentrale Strukturen und halten uns als Vorstand der Holding eher zurück. Viel wichtiger ist es, dass die Geschäftsführung der Krankenhäuser vor Ort sichtbar und erlebbar ist.
Gerade in der Anfangsphase der Pandemie war es wichtig, die geltenden Regelungen einheitlich und klar zu kommunizieren. Wann müssen Mitarbeitende in Quarantäne und wann können sie unter welchen Bedingungen weiterarbeiten? Welche Schutzausrüstung verwenden wir in welcher Situation? Das haben wir alles sehr früh festgelegt und dann auch durch Rundmails des Vorstands an alle Beschäftigten vermittelt. Seither gelten diese Regeln stringent, müssen aber immer wieder in Erinnerung gerufen und bekräftigt werden.
Aktuell ist die Impfung das zentrale Thema in unserer internen Kommunikation. Informieren, aufklären, die Zusammenhänge und vor allem die Wichtigkeit erläutern – nur so werden wir die erforderliche Akzeptanz bei den Mitarbeitenden erreichen. Dass sich jetzt andeutet, der Impfstoff könne möglicherweise nicht zu dem Zeitpunkt kommen, den wir erwartet und auf den wir hingearbeitet haben, ist ein Riesenproblem. Das wäre aus meiner Sicht der nächste kommunikative Supergau in der Corona-Krise. Es erinnert mich stark ans Frühjahr, als sowohl die WHO als auch das RKI lange behauptet haben, Masken würden keinen Schutz gegen Corona-Viren bieten. Das hat man dann später revidiert, aber es wirkt bis heute nach und ist sicher auch ein Grund dafür, warum Teile der Bevölkerung der Maskenpflicht so kritisch gegenüber stehen.
Nicht nur die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, auch die Öffentlichkeit hat in der Pandemie ein großes Interesse an validen Informationen. Besonders die lokalen Medien haben ihre Kliniken vor Ort fest im Blick, fragen häufig tagesaktuell nach den Patientenzahlen und schauen natürlich auch kritisch hin, wenn es z.B. zu Ausbruchsituationen kommt. Wie gehen Sie mit diesen Medienanfrage um?
Wir halten uns dabei sehr bewusst zurück und lassen hier in Berlin der Charité den Vortritt. Ihrer Rolle entsprechend hat die Uniklinik eine große Kommunikationsbereitschaft und hat sich gut positioniert als Experte für das Corona-Virus. Unsere Kommunikationsabteilung gibt wöchentlich eine Pressemitteilung heraus, in der wir mit Zahlen und Fakten von der Situation in unseren Häusern berichten. Meist können wir bei Anfragen darauf verweisen. Oder wir antworten mit einem kurzen Statement, das wir dann eher generell halten. Ich denke, das ist ein guter Weg, denn auch bei den Kolleginnen und Kollegen in der Abteilung für Kommunikation und Marketing ist wegen der Corona-Pandemie die Arbeitslast hoch. Wir müssen Prioritäten setzen und legen den Schwerpunkt da ganz klar auf die interne Kommunikation.
Über Prof. Lutz Fritsche:
Prof. Fritsche ist seit 2009 Vorstand Medizin der Johannesstift Diakonie, dem größten konfessionellen Gesundheits- und Sozialunternehmen in der Region Berlin und Nordostdeutschland. Zuvor war der gelernte Bankkaufmann und Facharzt für Innere Medizin in verschiedenen Funktionen an der Charité – Universitätsmedizin Berlin tätig: Er war stellvertretender Ärztlicher Direktor dazu dann auch Geschäftsführer der Medizinischen Versorgungszentren und kaufmännischer Leiter des Klinikums.
Bild: Johannesstift Diakonie / Michael Setzpfand