Sprechstunde in der PR-Ambulanz: Warum ist mein Pressesprecher so unsympathisch?
Bei dieser Frage ist es wie in der Medizin: Eine Ferndiagnose ist schwierig, aber nicht unmöglich. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist Ihr Pressesprecher nämlich gar nicht so unfähig und uncharmant wie Sie glauben. Denn dann hätten Sie ihn vermutlich gar nicht eingestellt oder – sollten Sie ihn von Ihrem Vorgänger geerbt haben – längst entlassen. Offenbar ist Ihrem Unterbewusstsein klar: Eine Neueinstellung würde auch nichts ändern. Denn das Problem ist in den meisten Fällen systembedingt.
Zunächst einmal: Ihr Pressesprecher ist gar kein reiner Pressesprecher mehr. Denn wenn er nur mit der Presse sprechen müsste, hätte er – außerhalb einer Krisensituation – nicht viel zu tun. Die Unternehmenskommunikation hat sich in den letzten Jahren rasant gewandelt. Pressearbeit hat an Bedeutung verloren, denn es gibt viele Möglichkeiten und Chancen z.B. über die eigene Website und Social Media direkt mit seinen Zielgruppen zu kommunizieren. Marketing hat an Bedeutung gewonnen und häufig gibt es in Kliniken dafür keinen eigenständigen Bereich. Die meisten Pressesprecher haben daher eine Doppelfunktion: Sie sind zwar nach wie vor auch Ansprechpartner für die Medien, sind aber für die gesamte Kommunikation eines Krankenhaus verantwortlich: PR, Marketing, Pressearbeit, Stakeholder-Management, Krisenkommunikation, interne Kommunikation, Social Media – das Aufgabenfeld ist nahezu unüberschaubar. Und oft landen zusätzlich viele kleine Alltagsaufgaben in der Kommunikationsabteilung, die dort eigentlich nichts zu suchen haben: die Pflege des internen Telefonbuchs, die Beschilderung, die Organisation der Abschiedsfeier für den Chefarzt, der nun in Rente geht. Ja, das alles hat irgendwie mit Kommunikation zu tun. Aber das hat die Kantine beispielsweise auch. Dennoch erwartet niemand, dass die Kommunikationsabteilung auch noch die Essenpläne aufstellt.
Um nun von Ihnen und allen Chefärzten, Pflegeleitungen und Bereichsleitern geliebt zu werden, muss der Pressesprecher also eine eierlegende Wollmichsau sein. Er muss diese Dinge nicht nur alle beherrschen, er muss es auch schaffen, alle Anforderungen, die täglich auf ihn niederprasseln, abzuarbeiten. Und nur in seltenen Fällen hat er dazu ein großes Team an seiner Seite, das ihn unterstützt. Natürlich ist die Arbeitslast auch in vielen anderen Bereichen in einer Klinik hoch. Deren Aufgabengebiet ist aber in der Regel klarer begrenzt; Strategie und Priorisierung sind gewünscht. In der Kommunikation dagegen ist man gleich der Spielverderber, wenn man die gewünschte Pressekonferenz ablehnt, weil die Zertifizierung des Fachbereiches Innere Medizin und die dritte Auflage des Lehrbuches des Herrn Professors aus der Kardiologie eben keinen Journalisten hinter dem Ofen hervor lockt.
Erschwerend kommt hinzu: Während jeder sich vertrauensvoll auf die fachliche Einschätzung der Rechtsabteilung oder des Finanz-Bereiches verlässt, weiß in der Kommunikation jeder ganz genau, wie man es eigentlich machen müsste. Nicht selten hört man dann: „Meine Frau hat früher für die Schülerzeitung geschrieben und sie findet, unsere Pressemitteilungen müssten viel knackiger werden.“
Sie würden aber immer noch gern einen Pressesprecher haben, der nicht so unsympathisch ist? Dann schenken Sie ihm doch einfach Ihr Vertrauen. Glauben Sie seinem fachlichen Rat, unterstützen Sie ihn mit strategischen Vorgaben und denken Sie immer daran: Er ist kein Spielverderber. Sondern der Experte.
Sie möchten auch in der PR-Ambulanz verarztet werden? Dann schicken Sie uns Ihre Frage an redaktion-kma@thieme.de Ausgewählte Patienten bekommen in dieser Kolumne eine Diagnose.
Dieser Text ist erschienen in Klinik Management aktuell, Ausgabe Januar /Februar 2018. Mehr Info über die kma unter www.kma-online.de