Chefvisite bei Alexander Zugsbradl, Interimsgeschäftsführer am Klinikum Ingolstadt
Herr Zugsbradl, in den Geschäftsführungen deutscher Kliniken sind häufige Wechsel ja schon fast an der Tagesordnung. Nicht selten gehen diese auch eher spontan vonstatten. Sie haben das in der Vergangenheit – geschuldet Ihrer Rolle als Interimsmanager – schon öfter erlebt und haben bereits vier Mal eine Krankenhausgeschäftsführung übernommen, ohne dass Sie Ihren Vorgänger noch persönlich angetroffen haben. Wie wichtig ist die Interne Kommunikation in einer solchen Situation?
Kommunikation ist, wenn man unter diesen Umständen eine Geschäftsführung übernimmt, die zentrale Voraussetzung, um sich einarbeiten zu können. Die Abteilungsleiter der verschiedenen Geschäftsbereiche, die Chefärzte, die Pflegeleitungen – sie alle sind so viel wichtiger, damit die tägliche Arbeit in einer Klinik reibungslos funktioniert als ein Vorstand oder ein Geschäftsführer. Ich suche sehr schnell das Gespräch und lerne so das Führungsteam und die Klinik kennen. Auch die Personalvertretung ist ein ganz wichtiger Anknüpfungspunkt, um ein Haus, die Mitarbeiter und ihre Bedürfnisse und Probleme kennenzulernen.
Hier in Ingolstadt hatte ich eine ganz besondere Situation: Ich wurde unter der Woche als neuer Geschäftsführer bestellt und am Freitag war bereits seit längerem eine Betriebsversammlung geplant, zu der rund 750 Mitarbeiter gekommen sind. Diese Chance musste ich nutzen. Natürlich konnte ich zu diesem Zeitpunkt inhaltlich noch gar nicht so viel sagen. Aber Sie müssen bedenken: Auch wenn ich nicht hingegangen wäre, hätte ich kommuniziert. Und das wäre sicher nicht die richtige Botschaft gewesen.
Sie haben in Ingolstadt aktuell rund 3200 Mitarbeiter, die von dem abrupten Wechsel in der Geschäftsführung und den vorausgegangenen Querelen mit Sicherheit ziemlich verunsichert waren. Wie kann es in einer solchen Situation gelingen, das Vertrauen der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zurückzugewinnen?
Gesicht zeigen, nahbar sein – das halte ich für wichtig und da ist eine Betriebsversammlung sicher der Königsweg. Aber ich nutze natürlich auch bereits eingeführte Wege der Internen Kommunikation. Intranet, Rundmails, SharePoint – wichtig ist es, den Kanal zu bedienen, den die Mitarbeiter kennen und auf dem sie schnell mit wichtigen Informationen rechnen. Inhaltlich achte ich vor allem darauf, authentisch und ehrlich zu sein. Wenn zum Beispiel Personal abgebaut werden muss, dann nutzt es nichts, um den heißen Brei zu reden. Man sollte erläutern, wie man das angehen möchte und wie es gelingen kann, den Stellenabbau sozialverträglich umzusetzen.
In der Regel stehen sich Geschäftsführer und die Leitung der Unternehmenskommunikation sehr nah. Man muss sich sehr gut kennen und aufeinander verlassen können, die Strategien und Schwerpunkte verinnerlicht haben, verstehen, was dem Chef wichtig ist und ein Gefühl für seinen Sprachduktus haben. Deshalb kommt es häufig auch zu einem Führungswechsel in der Kommuni-kationsabteilung, wenn ein neuer Geschäftsführer die Bühne betritt. Ist dieser Schritt Ihrer Meinung nach unvermeidbar oder wie kann es gelingen, gemeinsam ein neues Kapitel in der Klinik-kommunikation aufzuschlagen?
Man beginnt seine Arbeit und richtet den Blick nach vorn. Die Vergangenheit ist mir da nicht wichtig. Es spielt keine Rolle, ob jemand dem alten Chef nahe stand oder nicht. Mir geht es um die Inhalte. Wo bekomme ich die erwartete Zuarbeit und wo nicht? Das gilt selbstverständlich nicht nur für die Leitung der Unternehmens-kommunikation, sondern auch für den Controller, den Personalleiter und für alle anderen Abteilungsleiter. Gerade in den ersten 100 Tagen sind die Haftungsrisiken für mich als Geschäftsführer extrem hoch. Ich habe ein gutes Gefühl entwickelt: Wenn ich den Eisberg sehe, weiß ich, was mich unter der Oberfläche erwartet. Dass ich mich auf mein Team verlassen kann, ist aber dennoch überlebenswichtig in dieser Zeit.
Die Leitung der Unternehmenskommunikation nimmt aber – ähnlich wie eine persönliche Assistenz – schon eine besondere Rolle ein. Sie brauchen jemanden, mit dem Sie auch Dinge reflektieren können. Da ist die Wahrscheinlichkeit, dass es nicht passt, vielleicht wirklich erhöht.
Seit Mai 2017 haben Sie mit Katja Vogel eine neue Leiterin Unternehmenskommunikation und Marketing. Frau Vogel ist gelernte Marketing- Managerin. Setzen Sie mit dieser Personalie einen deutlichen Schwerpunkt auf Marketing in Ingolstadt und wie wichtig ist Marketing Ihrer Meinung nach für eine Klinik?
Frau Vogel ist routiniert und hat Erfahrung in Marketing und PR. Sie ist auf jeden Fall die richtige für diesen Job. Sie brauchen unbedingt auch Mitarbeiter mit journalistischer Erfahrung in einem solchen Team. Pressearbeit ist die Pflicht, Marketing eher die Kür. Die Bedeutung von Marketing nimmt immer mehr zu, ganz besonders bei der Mitarbeitergewinnung. Potentielle Mitarbeiter muss ich dort abholen, wo ich sie leicht erreichen kann und das ist z.B. Facebook oder auch generell das Web. Online-Marketing und Google AdWords können im elektiven Bereich auch helfen, Patientenzahlen zu steigern. Auch Empfehlungsmarketing kann bei den planbaren Eingriffen viel bewirken. Hüfte, Knie, Wirbelsäule – da ging man früher dorthin, wo der Nachbar gute Erfahrungen gemacht hat. Heute befragt man Klinikbewertungsportale. Man muss seine Patienten auch persönlich motivieren, ihre positiven Erfahrungen dort zu teilen. Sonst äußern sich überwiegend die, die eben nicht zufrieden waren mit ihrer Behandlung. Und wenn sie diese kritischen Stimmen als Klinik auch noch kommentieren, haben Sie ganz schnell einen Shitstorm entfacht.
Das Klinikum Ingolstadt kommt nicht aus den Schlagzeilen. Noch immer laufen gegen Ihren Vorgänger und rund ein Dutzend andere Personen staatsanwaltliche Ermittlungen wegen Korruptionsverdacht. Wie gehen Sie damit um, dass Sie, aber auch Ihre Mitarbeiter, Patienten und die breite Öffentlichkeit in Ingolstadt immer wieder mit diesen Schlagzeilen konfrontiert sind?
Wir versuchen, mit gleichmäßiger positiver Kommunikation dagegenzuhalten. Das allein reicht aber nicht aus und viel können wir natürlich nicht sagen, solange die Ermittlungen laufen. Wichtig ist es, nach Innen klar zu machen, dass uns dieses Thema noch eine Weile begleiten wird. Das kann noch mehrere Jahre dauern. Und man muss natürlich differenzieren: In diesem Klinikum wird eine gute Leistung erbracht. Und das ist völlig unabhängig von der Fehlleistung des früheren Geschäftsführers.
Über Alexander Zugsbradl:
Alexander Zugsbradl ist seit Oktober 2016 Interimsgeschäftsführer des Klinikums Ingolstadt. Der 51-jährige ist studierter Diplom-Kaufmann und Gesundheitsökonom und war zuvor Vorstand der Rottal-Inn Kliniken. Mit seiner Firma Zugsbradl Health Care Management GmbH ist er in verschiedenen Rollen im Gesundheits-bereich tätig und kennt als Interimsmanager, Berater und Sachverständiger viele Kliniken von Innen.