Was Kliniken in der Krisenkommunikation von anderen Branchen lernen können – Ein Experteninterview mit Klaus Weise von Serviceplan Public Relations
Herr Weise, obwohl wir beide als Experten in Krisenkommunikation unterwegs sind, sind wir uns bis vor Kurzem noch nicht persönlich begegnet. Das mag daran liegen, dass wir in anderen Branchen unterwegs sind. In welchen Bereichen betreuen Sie Kunden in der Krise und hatten Sie als Berater auch schon einmal mit dem Gesundheitswesen zu tun?
Ich betreue und berate Unternehmen aus vielen Branchen. Dazu zählen diverse Getränke- und Lebensmittelhersteller von der Brauerei über den Biobäcker bis hin zur Fastfoodkette. Auch Hotels, einen großen Anbieter von Kreuzfahrten, einen Kfz-Hersteller, ein Nahverkehrsunternehmen, Spielzeugwarenhersteller, Pharmaunternehmen und ja, ich habe auch schon
eine Apothekenkette, Kliniken und einen Betreiber von Seniorenresidenzen beraten.
Was können Kliniken Ihrer Meinung nach aus anderen Branchen lernen?
Ich bin froh, dass ich keine Klinik betreibe sondern eine PR-Agentur. Kliniken sind in einem hoch reguliertem Markt tätig, haben oft Abläufe und Strukturen, die nicht unbedingt zeitgemäß sind, stehen wirtschaftlich unter enormen Druck und gleichzeitig fühlt sich fast jeder dazu berufen, mitzureden und die Qualität der Dienstleistung zu beurteilen. Das ist eine undankbare Kombination. Wenn ich mir aber Bereiche wie Kommunikation, Organisation oder auch Führung und Motivation anschaue, denke ich, da könnten Kliniken noch besser werden. Beispielsweise lernen von Hotels oder aus anderen Dienstleistungsbranchen wie Gastronomie oder Tourismus.
Eine Krise kommt zwar oft plötzlich, aber selten aus heiterem Himmel. Wie wichtig ist es, sich auf Krisen im Vorfeld vorzubereiten und wie kann so eine Vorbereitung aussehen?
Gut geführte Unternehmen und die aus besonders krisenanfälligen Branchen sind in der Regel gut auf Krisen vorbereitet. Das bedeutet konkret: Sie haben beispielsweise ein Krisenhandbuch, einen Krisenstab, sie machen regelmäßig Krisenübungen, sie haben Krisenszenarien und –Statements in der Schublade. Zwar ist jede Krise anders, wer aber vorbereitet ist und Abläufe definiert hat, gewinnt im Ernstfall wertvolle Zeit. Ob ein Unternehmen gut auf eine Krise vorbereitet ist, lässt sich meistens mit einer ganz einfachen Frage testen. Nämlich: „Wer entscheidet bei Ihnen im Unternehmen, dass eine Krise existiert?“.
Können Sie hier einen Fall schildern, der Sie vor besondere Herausforderungen gestellt hat und wie sind Sie dieser Herausforderung begegnet?
Ich habe einmal eines der Unternehmen beraten, das während des Nationalsozialismus zu den Profiteuren des Systems gezählt hatte und das erst rund 50 Jahre nach Ende des 2. Weltkrieges damit begonnen hat, dies kritisch aufzuarbeiten. Dabei war das Unternehmen aber sehr konsequent, es hat beispielsweise unabhängige Historiker mit den Nachforschungen beauftragt und hat sich in Sachen Vergangenheits-bewältigung wirklich vorbildlich verhalten. Ausgerechnet dieses Unternehmen war dann am Bau eines Mahnmals für die Opfer des Nationalsozialismus beteiligt und wurde hierfür öffentlich massiv kritisiert. In dieser aufgeheizten Diskussion auch nur gehört zu werden, war sehr schwierig. Wir haben die Krise dann damit eindämmen können, indem sich ein ranghoher jüdischer Geistlicher in die Diskussion einschaltete und auf den Vorbildcharakter des Unternehmens beim Umgang mit der eigenen Geschichte hinwies. Ohne diese externe Hilfe hätte das Unternehmen einen nachhaltigen Reputationsschaden erlitten.
Eines Ihrer Spezialgebiete sind die sozialen Medien und ihre Rolle in der Krise. Sind Facebook, Twitter und Co eher Brandbeschleuniger in der Krisenkommunikation oder überwiegt der Vorteil der direkten Kommunikation mit den Stakeholdern?
Die sozialen Medien schaffen eine ungeheure Transparenz und beschleunigen die Abläufe massiv. Die Menschen haben ihr Handy stets bei sich und dokumentieren und kommunizieren alles, was ihnen nicht korrekt erscheint. Ein Beispiel wie zuletzt die Krise der Fluggesellschaft United Airlines, die in den USA wegen Überbuchung einen zahlenden Gast von Sicherheitskräften aus dem Flugzeug prügeln lies, zeigt, dass ein Fehlverhalten eines Unternehmens in kürzester Zeit weltweit publik werden kann. Es wird lange dauern und viel Geld kosten, um die Reputation von United Airlines wieder einigermaßen herzustellen.
Über Klaus Weise:
Klaus Weise ist Partner und Geschäftsführer der von ihm Oktober 2005 gegründeten PR-Agentur Serviceplan Public Relations, einer der Top 10 Agenturen Deutschlands, die zur größten unabhängigen Kommunikationsberatung Europas, der Agenturgruppe Serviceplan gehört. Zuvor
war er vier Jahre lang Geschäftsführer bei der damals weltweit größten PR-Agentur Weber Shandwick Deutschland und Mitglied der europäischen Krisen-Task-Force von Weber Shandwick. Als studierter Kommunikationswissenschaftler beschäftigt er sich intensiv mit der Veränderung von Krisenkommunikation durch das Internet und die sozialen Medien. Als Dozent lehrte und lehrt er an den Universitäten in Augsburg und München, an der Fachhochschule Joanneum in Graz sowie an der Akademie für Mode und Design in München.
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